Mit freundlicher Genehmigung der „MUSIKER MAGAZIN“ können wir euch einige Auszüge des Interviews im Heft nun auch online anbieten. (Fotos: Libero Rec./Angelika Maahn)
MM: Du hast gerade dein 30jähriges Bühnenjubiläum gehabt. Herzlichen Glückwunsch dazu! Das schaffen nicht viele Musiker. Was bedeutet dir dieses Jubiläum?
WM: Ich bin überhaupt nicht der Jubiläumstyp. Ich bin dann eher überrascht und denke: „Was, das sind jetzt schon 30 Jahre?“. Das neue Soloalbum und die dazugehörige Tour bietet allerdings eine gute Möglichkeit, eine persönliche Feier mit dem Publikum zu haben. Das Publikum, nur die Gitarre und ich. Die Lieder werden dabei häufig im Chor mitgesungen und das hat dann schon was Feierliches.
MM: Auf deinem neuen Album „Lieder vom Rand der Galaxis“ beweist du mal wieder einmal mehr, dass du ein Vollblutmusiker bist, der neben einer Gitarre und einem Cajón nicht viel mehr benötigt, um wundervolle Musik zu machen. Ist das etwas, was man mit der Zeit im Musikgeschäft lernt oder hast du dieses Talent in die Wiege gelegt bekommen?
WM: Ich glaube, sowohl als auch. Dazu gehört eine gewisse Veranlagung, und wenn man die entdeckt, dann ist es aber auch Arbeit. Ich wollte z.B. als Dreizehnjähriger, als ich schon längst Gitarre spielen konnte, unbedingt Schlagzeug spielen und hab dann getrommelt, wo immer ich war. Ich bin sogar mehrmals aus dem Unterricht geflogen. Meine Trommelei hat dazu geführt, dass sich mein Rhythmusgefühl sehr gut entwickelt hat. Ich glaube, wenn man ein gutes Rhythmusgefühl hat, dann kann man aus jedem Instrument etwas halbwegs Musikalisches herausholen.
MM: Du hast sowohl viele politische als auch emotionale Texte. Wie entstehen bei dir die Texte? Sind es Erfahrungsberichte aus deinem Leben oder auch fiktive Dinge, die du niederschreibst?
WM: Es sind wirklich meistens persönliche Erlebnisse. Die brauche ich auch, um authentische Texte zu schreiben. Das war mir schon immer wichtig. Aber nicht nur persönliche, sondern auch gesellschaftspolitische Themen spielen eine Rolle.
Was mich schon lange bewegt, ist der Wahnsinn an den Finanzmärkten.„Kathedralen von Zahlen“ handelt z.B.davon. Man hat den Eindruck, da sind so etwa Hunderttausend Spekulanten. Diese gegenüber der Erdbevölkerung kleine Minderheit treibt nicht nur die Menschen, sondern inzwischen auch die Regierungen vor sich her.
MM: Du widmest dich neben der Musik vor allem auch verschiedenen anderen Projekten und Interessengebieten. Gerade letztens hast du dich für „umFairteilen“ engagiert. Letztes Jahr für „Amnesty International“. Eine politische Haltung und Engagement scheinen dir wichtig zu sein… Du bekommst sicherlich viele Anfragen, ob du dich bei irgendeiner Aktion beteiligen möchtest. Wie selektierst du?
WM: Es muss ein Thema sein, zu dem ich etwas zu sagen habe, und vor allem muss ich auch Zeit dafür haben. Wenn mich etwas interessiert, versuche ich, mir die Zeit zu nehmen und mich zu engagieren.
MM: Dein Song „Tschernobyl“ ist heute genauso aktuell wie damals. Wie frustrierend ist das für dich?
WM: Viele Künstlerkollegen und ich haben durch unser Engagement viel erreicht und wir können auch heute noch viel erreichen. Mit der Bürgerbewegung rund um Wackersdorf haben wir in den Achtzigern verhindert, dass die Wiederaufbereitungsanlage gebaut wird. Dieses Riesenfestival damals hat sehr viel Aufsehen erregt. Das ZDF strahlte sogar eine Sondersendung im Vorabendprogramm aus, weil es politisch so brisant war. Danach gab es mal wieder eine bundesweite Umfrage und es gab zum ersten Mal eine Mehrheit für den Ausstieg. Wenn ich etwas bedaure, dann ist es, dass das allgemeine Interesse für Engagement zurückgegangen ist. Es gibt so viele Themen, für die es sich lohnt, sich zu engagieren. Stichwort: „Occupy“. Eigentlich sollten da 40-50.000 Leute im Bankenviertel ihre Meinung sagen.
MM: Meinst du nicht, dass es auch ein wenig Aufgabe der älteren Musikergeneration ist, die Nachwuchsmusiker an die Hand zu nehmen und zu zeigen, wie Engagement funktioniert?
WM: Das ist eine gute Frage. Ich glaube, dass nicht jeder Musiker sich dazu berufen fühlt, sich für soziale oder politische Themen zu engagieren. Das finde ich auch völlig in Ordnung, wenn ein Musiker lieber über seine neuen Wildlederstiefel oder sein Baby, das er gleich trifft, singen möchte. So hat Rock’ n’ Roll angefangen. Spätestens seit John Lennon ist das erweitert worden und es gibt viele Künstler, die sich auch gesellschaftlich engagieren. In den Achtzigern war es auch einfacher, das Übel zu lokalisieren und dagegen zu kämpfen. Die Welt ist komplexer und komplizierter geworden. Ein weiterer Grund ist, dass früh in den Neunzigern es irgendwie uncool wurde, Benefizkonzerte zu spielen. Mitte der Neunziger habe ich ein großes Festival selbst initiiert – Rock for Bosnia. Die Fantastischen Vier haben sofort zugesagt, aber es fehlte noch ein weiterer Topact und das hat Monate gedauert, bis wir den hatten. Wieviel Absagen ich bis dahin bekommen habe möchte keiner wissen.
MM: Wie kam es dazu, dass du Musik gemacht hast? Wie hast du deine Leidenschaft für Musik gefunden?
WM: Die Kurzfassung ist: Meine Mutter hörte sehr viel Musik und als 6-,7-jähriger Bub hörte ich öfter Ray Charles. Dann kam der wunderbare Gus Backus mit „Da sprach der alte Häuptling der Indianer“ , aber schon bald danach knallten die Beatles in unser Leben. Wir hörten die Single „I feel fine“, die dann noch am gleichen Tag gekauft wurde. Als die Beatles dann 1966, da war ich elf, ihre erste und einzige Tour durch Deutschland starteten, hat sich meine Mutter morgens um 6 Uhr angestellt und Karten für mich und meine Brüder ergattert. Nachdem wir sie im Zirkus Krone in München gesehen hatten, wurde sofort eine Band gegründet mit Plastikgitarren von Karstadt, die man an alte Radios anschließen konnte. Irgendein Millionärssohn hatte ein Schlagzeug und schon war die Band fertig.
MM: Und wie ging es dann weiter?
WM: Wir haben zuerst auf Schülerpartys gespielt. Nachdem meine Eltern nach Köln gezogen sind, gründeten mein Bruder Hans und ich eine Band, die „Gruppe Meier“ hieß und damit haben wir dann schon richtig viele Konzerte, u.a. auch in Holland, gespielt. Später wurde es dann die Food Band, mit der auch immer wieder Demos entstanden und wir hartnäckig versuchten, einen Plattenvertrag zu bekommen. Über Essex-Music, einem großen englischen Verlag, haben wir es dann geschafft. Die haben uns unter Vertrag genommen und das Album finanziert und wir haben einige Konzerte in London gespielt. Leider hat dann das Label pleite gemacht.
Wir hatten schon während der Produktion von CBS ein Angebot bekommen, das erste Food-Band-Album weltweit zu veröffentlichen, außer England, weil es da bei Essex war. Leider hatte der Chef von Essex die Rechte nicht abgegeben. Es wusste niemand, warum. Ich bin zu ihm ins Büro gegangen und fragte, wieso er die Rechte nicht rausrückt, und er meinte, dass wir ihm vertrauen sollen. Es würde sicherlich der Nächste kommen und noch mehr als 400.000 bieten. Essex vertrat u.a. die Stones, The Who und andere Musikgrößen und wir dachten, dass er schon wissen würde, was er tut. Leider kam dann aber niemand und gab ein höheres Angebot ab und wir hatten Probleme, in irgendeinem anderen Land veröffentlicht zu werden. Das war für uns eine harte Erfahrung. Wir waren dann aber mit Fleetwood Mac auf Tour. Und mit Bob Marley. Das war schon eine große Sache. Wir nahmen noch ein zweites Album in London auf. Ich war aber von der Banddemokratie irgendwann so frustriert, dass ich mir sagte, ich mach jetzt was unter meinem Namen und mache einfach das, was ich will. Das war der Startschuss zu meinem Deserteure-Debutalbum. Ich bin dann nachts in ein Tonstudio, wo ich aufnehmen durfte, wenn niemand da war. Als Erstes habe ich eine sehr abgefahrene Version von „Sag mir wo die Blumen sind“ eingespielt und dachte, damit bekommt man bestimmt einen Plattenvertrag. Und tatsächlich, ich hatte das Album noch nicht einmal fertig, da hörte mich hinter den Kulissen einer Fernsehsendung ein Typ von Metronome aus Hamburg für paar Minuten mit Kopfhörer, und ich hatte meinen Vertrag.
MM: Das heißt, du bist deinen Weg gegangen, auch mit der Gefahr, dass du auf die Nase fallen könntest.
WM: Ich fand es immer wichtig, meinen eigenen Weg zu gehen. Wenn man sich nach 30 Jahren alles einmal ansieht, dann wirst du von der Presse gefeiert, dann wirst du jahrelang überhaupt nicht mehr erwähnt, dann finden sie plötzlich wieder etwas gut. Für meine Fans war es sicher nicht immer einfach, aber ich habe versucht, meine eigenen Ideen umzusetzen und somit auch glaubwürdig zu sein. Nach meinen beiden Hitalben in den 80ern in Deutschland habe ich zum Beispiel ein englischsprachiges Album aufgenommen und meine Band, die „Deserteure“, komplett verändert und nur den Leadgitarristen behalten und die Band auch sehr viel schlanker gemacht. Ich habe da eine Vision verfolgt, aber die Verkaufszahlen waren der totale Einbruch für alle Beteiligten. Doch auch im Rückblick finde ich es richtig, dass ich diese Platte gemacht habe. Und wenn man von Anfang an ein bisschen crazy ist, dann wundert es auch niemanden, wenn auf einem späteren Album da plötzlich auch ein englischer Song ist. Man hat sich damit also auch einige Freiheiten eröffnet.
MM: Welchen Ratschlag kannst du dem musikalischen Nachwuchs in Deutschland auf den Weg mitgeben?
WM: Auf jeden Fall sollte man authentisch bleiben und das machen, was man für richtig hält. Inspiration ist wichtig und man muss sich in Situationen bringen, in denen man die Inspiration auch weiterverfolgen kann. Man muss ständig auf der Jagd nach neuen Inspirationen sein, um auch etwas Neues zu machen. Man darf sich nicht auf den Inspirationen von vorgestern ausruhen. Ich finde es gerade in der heutigen Zeit sehr schwierig durch die Veränderung in den Medien. Im Fernsehen spielen Rock und Pop ja nur noch in den Castingshows eine Rolle und das ändert schon die Art, wie die Leute Musik machen. Die Leute versuchen zu punkten und da verlieren sich Eigenheiten, die total wichtig sind. Sie werden glattgebügelt und verlieren an Authentizität.
MM: Vielen Dank, dass du dir die Zeit für dieses Interview genommen hast. Auf die nächsten 30 Jahre!